DIE NEUE REPUBLIK KATERT SICH AUS

DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DER LOTTE LINDENBERG.


Die Schuld wiegt schwer, Frankfurt windet sich schwerverletzt am Boden. Aus den Trümmern bildet sich eine heterogene, aufgeklärte Gesellschaft. Das Wirtschaftswunder streicht die Vergangenheit von der Tagesordnung. In jener Zeit wachsen die Schwestern Libertine und Lotte in den Straßen Frankfurt-Sachsenhausens auf. Ihre Eltern beschließen, Lotte im zarten Alter von 15 Jahren mit Gustav Lindenberg zu verheiraten.

Sie verkauft sich ihrem Angetrauten für das läppige bisschen ersehnte Kompatibilität mit den entarteten Werten ihrer Elterngeneration. Sie unterdrückt, was sie liebt und ertränkt sich schlussendlich in den Tiefen des Alt-Sachsenhausener Nachtlebens und den schlecht tätowierten Armen der Besatzungsmacht. Sie hurt, raucht, trinkt und experimentiert mit den Drogen und Klängen der GIs. Gerüchte verbreiten sich schnell bis in die elitären Kreise des auf Dribbdebach herabschauenden, gegenüberliegenden Mainufers. Gustav Lindenberg reicht die Scheidung ein und sucht Trost bei Lottes älterer Schwester Libertine. Gustav und Libertine heiraten kurze Zeit später.

Lotte lebt zu diesem Zeitpunkt bereits in Paris auf der Suche nach dem erstrebten Neuanfang. Sie bezieht eine kleine Wohnung in der Cour Des Bretons und stürzt sich ins Pariser Nachtleben. Die Bebop-Clubs der Stadt fangen sie auf, der Existenzialismus wird ihre ideologische Heimat. In jener Phase lernt sie die Modelagentin Catherine Harlé kennen. Die Affäre mit Catherine hält zwar nicht lange, umso länger jedoch Lottes Ambitionen als Model Karriere zu machen. Ihr neuer Job bringt sie Mitte der Siebziger nach Los Angeles. Dort angekommen, entdeckt sie die Welt der Skin Gentlemen‘ Lounge und ihren Hang zum Exhibitionismus. Der Gedanke der freien Liebe, der in den Adern Kaliforniens pulsiert, bestärkt sie in ihrem A-Life-Less-Ordinary-esken Lebensstil. Sie zieht mit sieben weiteren Frauen zum wesentlich älteren, vermögenden Jeffrey Bourdin in die Hollywood Hills. Als dieser stirbt, hinterlässt der kinderlose Mann ihr das Haus und sein Vermögen mit der Auflage, seinen anderen Frauen ein lebenslanges Wohnrecht zu gewähren. Das Haus entwickelt sich schnell zur Anlaufstelle für die exzessivsten Partys der Stadt. 


Doch die Nacht und ihr Rattenschwanz hinterlassen Spuren. Lotte zieht sich nach und nach zurück. Sie nimmt Anfang der Neunziger Jahre den Heroin-Abhängigen Musiker James Pinkward auf und beginnt sein und ihr eigenes Leben umzukrempeln. Es war bereits viele Jahre still um Lotte geworden, als sie 2014 hört, dass ihre - auch mittlerweile geschiedene - Schwester Libertine Lindenberg in Frankfurt Alt-Sachsenhausen eine Gründerzeitvilla geerbt hat und in diesem Objekt eine Gästegemeinschaft eröffnet. Dass sie die Villa alleine betreibt, konnte Lotte sich nicht bieten lassen, da ihr auch ein Teil des Hauses zugesprochen wurde. Kurzerhand zieht sie mit Sack und Pack in ihre Geburtsstadt zurück, gründet das Plattenlabel LOTTE LINDENBERG und die Villa wird um ein Label und ein Tonstudio erweitert.

Wolfgang Gottlieb, der nicht nur ein Faible für analogen Klang, sondern auch für ältere Damen hat, bietet ihr an, das Tonstudio und Label zu betreiben. Da er erkennt, was er sich in Zeiten der auf-dem-letzten-Loch-pfeifenden Musikindustrie aufgehalst hat, bittet er seine Wegbegleiter Fakir Ayoub, Christoph Müller und Steen Rothenberger ihm zur Seite zu stehen. Alexandra Pagel versucht durch gezielte Kommunikation größtmöglichen Gesichtsverlust für die vier Herren abzuwenden.